Geringe Impfbereitschaft in Serbien

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Die neuerlichen Maßnahmen und Warnungen im Kampf gegen Corona haben anscheinend nur einen geringen Einfluss auf die Impfbereitschaft der serbischen Bevölkerung.

Dies lassen zumindest Umfragen in Serbiens Hauptstadt Belgrad erkennen.

So hätten 45 Prozent der insgesamt 804 Befragten noch nicht entschieden, ob sie sich überhaupt impfen lassen wollten, sobald ein entsprechender Wirkstoff verfügbar ist. Ein Viertel wiederum wolle sich nicht impfen lassen. Lediglich ein Fünftel der Befragten zeigte sich dazu bereit. Neun Prozent machen weiterhin die Entscheidung davon abhängig, aus welchem Land der Impfstoff kommt.

Darüber hinaus ergab die Studie, dass gut 41 Prozent der Befragten keine Sorge habe, sich mit Covid-19 zu infizieren. Ein Prozent geht zudem davon aus, dass „die Situation nicht so ernst ist, wie behauptet wird“.

Die Umfrage war von der Amerikanischen Handelskammer in Zusammenarbeit mit dem Institut für Wirtschaft Belgrads und dem Institut für Epidemiologie der Medizinischen Fakultät der Universität Belgrad durchgeführt worden.

Steigendes Krankheitsrisiko in den nächsten Monaten

Angesichts der sich seit Ende Oktober stetig verschlechternden Lage und dem Umstand, dass der beginnende Winter zusätzliche Risiken bereithält, plädieren die Forscher, sich auf eine weitere Erhöhung der Testkapazitäten zu konzentrieren. Auch eine Ausweitung der Seuchenkontrollen und eine Stärkung des Gesundheitssystems seien erforderlich.

Die Sorgen derjenigen, die eine Impfung vom Herkunftsland des Wirkstoffs abhängig machen, hält derweil der Experte für Immunologie und Berater des Instituts für Wirtschaft, Dr. Dragoslav Popović, für unbegründet. Die Behörden müssten die Menschen einfach umfassend aufklären.

„Serbien muss eine starke Kampagne fahren, die sich auf die 54 Prozent der Menschen konzentrieren sollte, die gegen eine Impfung sind. Die Leute müssen verstehen, was der Impfstoff für jeden von uns bedeutet. Jemand muss alle Ängste, Fehlinformationen und Fragen ausräumen. Wenn so eine Kampagne strategisch gut gemacht ist, und mithilfe von Social Marketing und nicht nur durch Ankündigungen des Krisenstabs gefahren wird, werden wir viel mehr Menschen dazu bewegen können, sich impfen zu lassen. In jedem Fall ist es aber gut, dass bereits gesagt wurde, dass eine Impfung nicht verpflichtend sein wird. Die Menschen mögen keinen Zwang“, rät Popović.

Corona-Bekämpfung benötigt bessere Vorbereitung

Weiterhin merkte er an, dass er noch nichts von einem Impfplan der Regierung gehört habe. In anderen Ländern sei dies bereits geschehen. Für die serbische Bevölkerung sei es enorm wichtig, einen solchen Plan zu veröffentlichen, bevor der Impfstoff tatsächlich verfügbar sei.

Besonders kritisch sieht Popović zudem die langen Warteschlangen vor den Corona-Testeinrichtungen. Dies müsse bei den Impfungen auf jeden Fall vermieden werden.

„Jemand wird ein oder zweimal kommen. Wenn er dann aber immer noch die langen Schlangen sieht, wird er den Gedanken, sich impfen zu lassen, aufgeben. Hier muss strategisch und klug vorgegangen werden. Serbien hat bereits eine Anti-Impfbewegung. Die muss auf jeden Fall neutralisiert werden, da wir eh schon genug Probleme auf diesem Gebiet haben. Die Kirche sollte in die Impfaufklärung eingebunden werden, wie es zum Beispiel in Russland geschehen ist“, so der Experte.

Probleme bei der Versorgung chronisch Kranker

Problematisch ist zudem, dass sich seit Beginn der Coronakrise in Serbien auch die Versorgung von Patienten mit anderen Erkrankungen und chronischen Beschwerden verschlechtert hat. Allein im ersten Halbjahr 2020 verringerten sich derlei Untersuchungen und Behandlungen in den Kliniken um 39 Prozent im Vergleich zum Durchschnitt der Jahre 2016 bis 2019. Auch die Zahl der Erst- und Vorsorgeuntersuchungen ist im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 45 Prozent zurückgegangen. Gerade für chronisch kranke Patienten ist das ein unhaltbarer Zustand.

Wie die Vorsitzende der Serbischen Ärztevereinigung, Frau Dr. Milica Nikolić-Urošević, erklärt, ist es zurzeit praktisch unmöglich, einen Spezialisten zu finden. „Die Patienten müssen zum Arzt ins Gesundheitszentrum kommen. Dieser plant dann eine Untersuchung und schreibt entsprechende Anweisungen. Termine werden aber oft nicht vergeben. Betroffen sind vor allem Patienten mit Herzproblemen oder Nieren- und Schilddrüsenproblemen. Diese Patienten benötigen zusätzliche Diagnosen und Geräte, die dort nicht zu haben sind. Mittlerweile sind zudem fast alle Mittel Corona untergeordnet. Die Menschen sind daher gezwungen, sich privat behandeln zu lassen, sofern sie das Geld dazu haben. Wenn nicht, leiden sie zuhause. Für Patienten aus Belgrad ist es extrem schwierig, zu einem Endokrinologen oder Gastroenterologen zu gelangen“, so Nikolić-Urošević.

Auch würden insbesondere ältere Menschen seit März kaum noch ihr Zuhause verlassen, aus Angst sich mit Corona anzustecken. Sie kämen nicht mehr zu Untersuchungen, weil sie jeden Tag von der großen Anzahl Erkrankter und Verstorbener hörten.

Abhilfe sollen hier neue Technologien, insbesondere die Telemedizin, schaffen. Dadurch könnte das Gesundheitssystem entlastet und Patienten zumindest teilweise von Zuhause aus versorgt werden. Auch fordert Nikolić-Urošević eine stärkere Einbindung des privaten Gesundheitssektors im Kampf gegen Corona. In anderen Ländern ist dies seit dem Ausbruch der Pandemie die Regel.

Quelle: politika.rs

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