Nach Geox-Schließung: Es bedarf eines Umdenkens in der Wirtschaftspolitik

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Warum hat Geox sein Werk in Vranje geschlossen? Diese Frage ist nicht nur für Vranje von großer Bedeutung, sondern könnte auch ein Paradebeispiel für Fälle anderer ausländischer Investoren in Serbien sein.

Denn die Meinungen für die Werksschließung gehen auseinander. Die serbische Regierung argumentierte anhand einer weitverbreiteten neoliberalen Logik. Mit dem Anstieg der serbischen Löhne, habe sich die Produktion für Geox einfach nicht mehr gelohnt. Die italienische Firma wolle daher weiterziehen, in ein billigeres Land. 65.000 Dinar Durchschnittslohn und ein Mindestlohn von 35.000 Dinar, also gerade einmal knapp 300 Euro würden somit die Schuhproduktion in Serbien unattraktiv machen.

So gab es denn auch Gerüchte, nach denen ein neues Werk in Albanien entstehen sollte. Denn der albanische Durchschnitt liegt bei knapp über 300 Euro, das Minimum gar bei 212 Euro. Da sich diese Spekulationen jedoch in Wohlgefallen aufgelöst haben, könnte man jetzt argumentieren, dass selbst albanische Arbeiter noch zu teuer wären.

Dies zeigt jedoch, dass an der Argumentation von Seiten der Regierung Brnabić etwas nicht ganz stimmen kann. Zumindest scheint sie nur in Teilen die Motive von Geox erklären zu können. Sonst hätte die Firma sich auch gleich in Albanien ansiedeln können.

Experte sieht mangelnde Rechtssicherheit als Dauerproblem

Der Wirtschaftsexperte Ljubomir Madžar wiederspricht denn auch der Auffassung der Regierung, dass Lohnsteigerungen bei uns ausländische Investitionen verhindern. Er betont in seinem Aufsatz „Warum das Wirtschaftswachstum Serbiens hinterherhinkt“, in der Zeitschrift „Ekonomika preduzeća“, dass es noch weitere Gründe gibt, die nachhaltige Investitionen in Serbien verhindern. Besonders macht er dafür die mangelnde Rechtssicherheit im Lande verantwortlich.

Laut Madžar verliert Serbien jedes Jahr ein Drittel seines wirtschaftlichen Wachstums durch Korruption und Rechtschaos. Anstatt diese Mängel zu beseitigen, verfolge der Staat hingegen lediglich die Strategie durch überbordende Subventionen darüber hinwegzutäuschen und somit ausländische Investoren zu ködern.

Laufen dann diese Subventionen, gleich ob direkte Zahlungen oder Steuerprivilegien weg, zieht sich dann auch das ausländische Kapital schnell wieder zurück. Ob dies moralisch verwerflich ist, erst Geld anzunehmen und dann zu verschwinden – diese Frage ist in der Geschäftswelt gleichwohl müßig. Schon Bertolt Brecht mahnte „Erst kommt das Fressen, dann kommt die Moral“.

Der Fall „Geox“ scheint ihm mehr als Recht zu geben.

Manche Firma kommt einzig für die Subventionen

Dragoljub Rajić, Koordinator des Unterstützungsnetzwerks für Unternehmen, pflichtet dem bei. Er ergänzt zudem, dass es der serbische Staat bis heute nicht schaffe, eine rote Linie zu ziehen, ab welcher es keine weiteren Subventionen gibt. Zudem bemängelt er das große Ungleichgewicht zwischen inländischen und ausländischen Kapitalgebern.

Inländische Firmen erhielten, laut ihm, bei weitem nicht dieselben Fördermittel wie ausländische. Außerdem verhindere das gegenwärtige Steuersystem die Entfaltung einheimischer Unternehmen. Zudem seien derlei Vorgänge in höchstem Maße intransparent.

Er zeigt sich überzeugt: „Anstatt ausländische Unternehmen mit üppigen Subventionen zu unterstützen, wäre es wesentlich besser, wenn der Staat einen Fonds zur finanziellen Unterstützung inländischer Firmen einrichten würde, um die Wirtschaft im Land nachhaltig zu stärken. Allerdings kommuniziert die Regierung kaum mit der heimischen Industrie, um zu hören, wo die Probleme liegen.“

Investionen aus dem Ausland sind natürlich gut, aber nicht um jeden Preis

Weiterhin will Rajić auch Investitionen aus dem Ausland nicht per se verdammen. Vielmehr sieht er zwei Gruppen an Investoren. Einerseits gibt es jene, welche nach Serbien kommen, um einen Standortvorteil sowie eine strategisch günstige Position zwischen der EU und den asiatischen Märkten zu erhalten. Diese würden auch für einen langen Zeitraum bleiben. Die zweite Gruppe hingegen besteht aus Subventionsjägern, welche nicht auf profitable Geschäfte hier aus seien, sondern lediglich staatliche Förderungen abgreifen wollten.

Viele Firmen der zweiten Gruppe könnten sich ohnehin nur so über Wasser halten, weiß der Ökonom Milan Kovačević zu berichten. Dies betrifft vor allem Wirtschaftsbereiche wie die Textil- und Schuhfabrikation.

„Von diesen kann man nicht erwarten, dass sie die Gehälter ihrer Arbeiter erhöhen. Nicht einmal in einem Land mit generellem Wirtschaftswachstum. Ihre Firmenpolitik wird es immer sein, sich nur um bessere Ausgangsbedingungen, billigere Pachtverträge und höhere Subventionen einzusetzen. Abseits dessen gibt es aber auch noch die import- und exportorientierte Wirtschaft. Diese ist in höchstem Maße vom Weltmarkt abhängig und weniger von der Situation im Land selbst. Da unterliegt der Anstieg der Gehälter ohnehin nicht unseren Wünschen“, bemerkt der Ökonom.

Die Regierung habe sich insgesamt zu sehr für ausländische Investoren begeistert. Obwohl sie wusste, dass sie nur wegen der billigen Arbeitskräfte kamen.

Es bedarf in der Subventionspolitik generell eines Umdenkens, ergänzt Kovačević. Es sollte nicht darum gehen, staatliche Förderungen abzuschaffen. Gleichwohl müssten diese aber sinnvoller gewährt werden.

Strengere Vergabekriterien allein werden das Problem kaum lösen

Das serbische Wirtschaftsministerium plant denn auch in der Zukunft seine Subventionspolitik abzuändern.

„Zurzeit arbeiten wir daran, bestimmte vertragliche Mechanismen zu verbessern und zu präzisieren, um die Interessen aller Parteien zu schätzen“, erklärt das Ministerium in einer Anfrage von „Politika“.

Man sollte sich dennoch überlegen, ob abseits der schönen Fernsehbilder, wenn international bekannte Firmen nach Serbien kommen, nicht andere Probleme beiseitegeschoben werden. Denn ohne der große Namen wie Geox, Siemens etc. dürfte es in Serbien vor allem wichtig sein, den unternehmerischen Mittelstand aus dem eigenen Land zu fördern, vor allem im Bereich der Zulieferung. Dies würde auch dezentral Arbeitsplätze schaffen, anstatt der großen ausländischen Prestige-Projekte. Nicht zuletzt würde dies auch den Konsum flächendeckend im Land stützen. Er wäre nämlich nicht mehr auf einige wenige Städte und Regionen konzentriert.

Das Argument der mangelnden Rechtssicherheit kann sowieso kaum zur Diskussion stehen. Denn diese ist Grundvoraussetzung jeglicher wirtschaftlicher Tätigkeit. Gibt es da Reformbedarf, muss dieser schnellstmöglich abgearbeitet werden.

Die Konkurrenz der Arbeitnehmer darf nicht zur Erpressung dienen

Derlei Mängel und Probleme dürfen auch nicht auf den Rücken der Arbeiter ausgetragen werden, gleich wo diese leben. Denn die großen Lohnunterschiede zwischen West- und Mitteleuropa und den Balkanländern gilt es zu überwinden und nicht als Argument zu nehmen, um so weiterzumachen, damit das ein oder andere westliche Firmenschild hier prangt. Eine Wirtschaft, die nur besteht, weil jene, die sie am Laufen halten, auf das unterste zum Leben notwendige Minimum gepresst werden, ist keine Wirtschaft, die dem Land oder der Gesellschaft dient. Da spielt es auch keine Rolle, ob es sich um einen serbischen Arbeiter oder seinen albanischen Kollegen handelt.

Denn beide arbeiten für einen Hungerlohn. Sie sind kaum in der Lage ihre Kinder zu ernähren und zu kleiden, geschweige denn ein in finanzieller Hinsicht menschenwürdiges Leben zu führen. Diese dann als Konkurrenzargument zu missbrauchen, um bei ausländischen Investoren um Standorte zu buhlen, ist nicht nur verwerflich. Sondern es zeugt auch davon, wer am Ende der Gewinner dieses Spiels ist. Es ist weder der eine noch der andere Arbeitnehmer, weder die Gesellschaft, noch der Staat. Es sind einzig die ausländischen Investoren, denen das Geld in den Rachen geworfen wird.

Millionen an Subventionen vergeudet, Chance für Vranje vertan

Man sollte sich nur bewusst machen, dass der serbische Staat jeden Arbeitsplatz bei Geox mit 9.000 Euro gefördert hat. Nach diesen Unsummen und der Beendigung der Produktion bei Geox steht Vranje jetzt vor einem riesigen Problem. Denn 1.200 Beschäftigte wissen nicht, wie sie demnächst ihre Rechnungen bezahlen sollen.

Da fühlt man sich schon fast etwas an die Ansprache von Patriarch Porfirije von Dienstag erinnert. In dieser mahnte er, dass es keiner ausländischen Friedenstruppen braucht, um Frieden und Prosperität in der Region zu schaffen. Gleiches könnte man, mit Einschränkungen, sicher auch auf die Wirtschaft auf dem Balkan beziehen.

Wie ist Eure Meinung zu diesem Thema? Was haltet Ihr von der staatlichen Wirtschaftspolitik? Schreibt sie uns in die Kommentare.

Foto: EPA

Quelle: politika.rs

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