Der Patriarch der serbisch-orthodoxen Kirche, Porfirije, hat sich gestern Abend in einer Ansprache zum Jahrestag der Operation „Oluja“ geäußert. Bei dieser vertrieb die kroatische Armee 1995 am 4. August und in den Folgetagen sämtliche Serben aus der Krajina.
Porfirije rief die Gläubigen dazu auf, für die Vertriebenen und für alle, die während „Oluja“ ihr Leben ließen, zu beten. Auch alle anderen unschuldigen Opfer in Kroatien dürften wir nicht vergessen.
Der Patriarch gemahnte, dass die Serben die schrecklichen Taten der kroatischen Seite niemals vergessen dürften. Wir sollten allerdings Vergebung lernen.
„Lasst uns zu Gott beten, dass er alle unschuldigen Opfer der schrecklichen Augusttage des Jahres 1995, aber auch jene davor, jene der Kristallnacht von Zadar, jene aus den Dörfern Medak und Lika, bis hin zu Pakrac und Westslawonien in seine Arme nimmt. All jene Unschuldigen, welche auf den Straßen und in ihren Häusern und Wohnungen getötet wurden“, so der Patriarch.
Die Ansprache erfolgte im Anschluss an einen Gottesdienst in Busije, an welchem auch die Staatsführungen Serbiens und der Republika Sprska teilnahmen. Auch Serbiens Präsident Aleksandar Vučić war zugegen.
Historische Leidenserfahrung des serbischen Volkes
Porfirije reihte dabei die gewaltsamen Vertreibungen in Kroatien ein in die historischen Leidenserfahrungen des serbischen Volkes.
„Wir haben uns heute hier versammelt, um im Gebet an den in Europa beispiellosen gewaltsamen Exodus des serbischen Volkes aus Dalmatien, Banija, Kordun, Lika und Westslawonien zu erinnern. All dies ist ein weiterer Kieselstein im Mosaik unserer jüngsten Leiden und Kreuzigungen, zusammen mit Jadovno, Jastrebarsko, Glina und Jasenovac“, sprach der Patriarch.
Er mahnte weiterhin dazu, die Opfer und ihre Leiden nicht dazu zu missbrauchen, um die Konfliktspirale weiter zu drehen, gar Kriege aufgrund von Gedenkpolitik zu führen oder in eine Form des Bettelns und Selbstmitleids zu verfallen.
Er wiederholte dabei die Worte des früheren Patriarchen German: „Wir dürfen nicht vergessen, aber wir müssen vergeben.“
Neben Verweisen auf den heiligen Märtyrer Vukasin von Klepci, welcher in Jasenovac sein Leben ließ, bezog er sich auch auf seine persönlichen Erfahrungen.
Verständigung ist möglich, muss aber freien Herzens erfolgen
In allem Elend habe er neben seinen geliebten Brüdern und orthodoxen Serben auch viele gute Kroaten in Dalmatien getroffen. Man habe sich über Jahrhunderte auf einander bezogen, wurde miteinander verwandt und habe es immer geschafft, trotz aller Konflikte gemeinsam voranzukommen.
„Deshalb frage ich mich, wer bei Eurer Verfolgung der Gewinner war. Denn es bleibt am Ende nichts als ein leeres und unbebautes Land und das Böse hat einen weiteren Sieg verzeichnet. Es wurde der Mensch besiegt. Und Gott, der den Frieden unter den Menschen will, wurde abermals verraten“, sagte Porfirije.
Nur im Glauben an Gott und an die Kirche sei der Mensch aber fähig, trotz aller Schwierigkeiten, sein Bestes zu tun, um Frieden zu schaffen und historische Ungerechtigkeiten zu korrigieren.
Porfirije warnt vor fremden Friedensvermittlern
Auch betonte er, dass es dazu keine Unterstützung von außen bedarf.
„Wir brauchen keine selbsternannten Friedenstruppen als Vermittler, da diese oft von uns unbekannten Interessen geleitet werden. Unter dem Deckmantel der Friedenssicherung erzwingen sie oft Formeln für unsere Missverständnisse mit anderen und schaffen sprachliche und für immer definierte Lager und Seiten. Auf diese Weise helfen sie uns nicht, sondern schaffen unüberwindbare Gräben. Sie vertiefen diese gar. Wir brauchen nur Christus und den Frieden. Dafür beten wir jeden Tag“, sprach der Patriarch. Hass und Rache würden hingegen letztendlich nur denjenigen töten, der von ihnen besessen ist.
Zum Schluss gemahnte er auch, dass man auch die anderen unschuldigen Opfer nicht vergessen dürfe, gleich welcher Religion oder welchem Volk sie angehörten.
„Heute haben wir mit unserem Gedenken eine Aufforderung ausgesprochen, jedem Pogrom und jeder Verfolgung jederzeit und überall mit aller Kraft entgegenzutreten“, schloss der Patriarch.
Bei der Operation „Oluja“ hatte am 4. August 1995 die kroatische Armee die serbische Krajina überfallen. Innerhalb von nur 85 Stunden wurden 200.000 serbische Zivilisten vertrieben. Zwischen 800 und 1200 in der Krajina verbliebene Serben wurden im Anschluss an die Eroberung ermordet. Bis heute gelten noch 2669 Personen als vermisst. Der Gerichtshof in Den Haag klagte den Oberkommandiere von „Oluja“, Ante Gotovina, später an und verurteilte ihn im Jahr 2011 zu einer Haftstrafe von 24 Jahren. Im Berufungsverfahren sprach man ihn jedoch in allen Punkten frei, angeblich aus Mangel an Beweisen.
Nach Angaben des UNHCR kehrten bis 2002 ca. 100.000 kroatische Serben in ihre Heimat zurück.
Wie denkt Ihr über die Ansprache des Patriarchen? Schreibt es uns in die Kommentare.
Quelle: novosti.rs