Erdogans Sieg beim Sonntagsreferendum ist auf den Straßen von Sarajevo gefeiert worden. Politiker in den Balkanländern haben dem türkischen Staatschef zu dem Ergebnis gratuliert. Sie hoffen, dass Ankara seinen Einfluss in der Region stärkt. Ob diese Hoffnungen begründet sind, erklären Politikwissenschaftler im Gespräch mit Sputnik.
Der bosnische Politiker, Präsident der Partei der demokratischen Aktion (SDA) und Sohn des ehemaligen bosnischen Präsidenten Alija Izetbegović, Bakir Izetbegović, hat Erdogan gratuliert und seine Hoffnung geäußert, dass das Ergebnis des Referendums die Situation im Land stabilisieren und stärken werde. Herzliche Glückwünsche kamen auch vom Präsidenten des Bosnjakischen Nationalrates in Serbien, Sulejman Ugljanin.
„Jeder seiner Erfolge ist auch ein Erfolg der Bosniaken von Sandschak (inoffizieller Ortsname einer serbischen Region mit überwiegend muslimischer Bevölkerung – Anm. d. Red.)“, so Ugljanin.
Der ehemalige Diplomat Srecko Djukic sagte im Gespräch mit Sputnik, dass sich die Türkei höchstwahrscheinlich zunächst mit eigenen Problemen beschäftigen wird.
„Wir sollten etwas abwarten und sehen, ob die Türkei genügend Kräfte haben wird, sich den Balkanstaaten zu nähern. Der Türkei stehen ernsthafte Herausforderungen bevor. Die wirtschaftliche Situation ist nicht mehr so, wie sie es früher war. Deswegen glaube ich nicht, dass Ankara in der nächsten Zeit seine Präsenz auf dem Balkan ausbauen wird“, so Djukic.
Der Politikwissenschaftler Srdja Trifkovic ist anderer Meinung. Von Beginn seiner Karriere an habe Erdogan diejenigen unterstützt, die er als Nachfolger „der osmanischen Tradition“ ansah. Übrigens: Der Ortsname Sandschak leitet sich von Sandschak Novi Pazar ab, das bis 1913 eine Verwaltungseinheit des Osmanischen Reichs war.
„Muslime aus Serbien und Bosnien haben Gründe, sich über Erdogans Sieg zu freuen. Sie hoffen, dass er nach dem Referendum aktiver die türkischen Ambitionen auf dem Balkan umsetzen wird. Ich denke, so wird es auch sein, denn Erdogan ist nicht mehr an die Verpflichtungen gegenüber der Europäischen Union und den USA gebunden. Die Beziehungen zwischen diesen Ländern haben sich nach dem Putschversuch in der Türkei verschlechtert“, so Trifkovic.
Demnach könne man erwarten, dass die so genannte neo-osmanische Strategie von Ankara fortgesetzt wird. Diese funktioniere in drei Richtungen: im Kaukasus, im Nahen Osten und auf dem Balkan. Laut Trifkovic kann man jetzt aus dem Kosovo, Albanien und Westmakedonien Gratulationen an Erdogan erwarten. Gerade die Albaner betrachte Erdogan als Hauptverbündete und Partner bei der Stärkung der strategischen Präsenz der Türken in der Region, hieß es.
Zuvor war berichtet worden, dass die Türken am vergangenen Sonntag bei einem Referendum über das künftige Staatssystem ihres Landes abgestimmt hatten. Präsident Recep Tayyip Erdogan hatte eine Verfassungsreform vorgeschlagen, die dem Staatschef mehr Macht geben und das Amt des Regierungschefs auflösen würde. Nach der Auswertung von 98 Prozent der abgegebenen Stimmzettel liegen die „Ja“-Sager bei 51,3 Prozent der Stimmen. 48,7 Prozent der Wähler stimmten dagegen.
Quelle: Sputniknews