Aleksandar Vučić sprach mit der deutschen Zeitung „Handelsblatt“ über den bevorstehenden Besuch von Olaf Scholz sowie die Zukunft Serbiens in der Lithiumindustrie.
Serbien ist Europa loyal, betont Aleksandar Vučić im Gespräch mit dem deutschen „Handelsblatt“ im Vorfeld des Besuchs des deutschen Kanzlers Olaf Scholz in Serbien. Er fügt hinzu, dass er den Besuch als hervorragende Gelegenheit für die Stärkung der Beziehungen zwischen Belgrad und Deutschland sowie der Europäischen Union sieht und dass er das Lithium-Partnerschaftsprojekt mit der EU als Priorität gegenüber der Zusammenarbeit mit China auf diesem Gebiet betrachtet.
„Abgesehen von den Gesprächen über aktuelle politische Ereignisse wird der Schwerpunkt auf der wirtschaftlichen Zusammenarbeit liegen. Wir haben eines der größten weltweiten Lithiumvorkommen. Dieses Material ist eine wichtige Komponente für Batterien, die für die Elektromobilität erforderlich sind. Die EU benötigt Lithium, und wir möchten unsere Beziehungen zur EU stärken“, hebt Vučić hervor, wenn er über Scholz’ Besuch spricht.
Auf die Frage eines deutschen Mediums, ob er den Europäern den Vorzug gebe oder die Einladung zur Zusammenarbeit auch die Batteriehersteller weltweit betreffe, erwähnt Vučić, dass Gespräche mit den Unternehmen Mercedes, Volkswagen und Stellantis geführt wurden und auch Südkorea Interesse an einer Produktion in Serbien bekundet hat.
Die Internationale Energieagentur schätzt, dass die weltweite Nachfrage nach diesem Rohstoff bis 2040 um das Neunfache steigen wird. Ein großer Teil der Produktionskette wird von China kontrolliert, und EU-Beamte fordern seit langem die Automobilindustrie auf, alternative Lieferanten zu finden und das Risiko einer übermäßigen Abhängigkeit von China zu vermeiden, stellt die deutsche Zeitung fest.
Chinesische Unternehmen haben in den letzten Jahren Milliarden in Südamerika und Afrika investiert, um Zugang zu Lithium zu sichern, und auch China hat Interesse an den Lithiumvorkommen in Serbien bekundet.
„Wir haben ihnen gesagt, dass wir über dieses Thema mit den Europäern sprechen. Wir sind Europa loyal“, sagte Vučić.
Auf die Frage, ob er mit einem Lithiumvertrag rechne, antwortete der Präsident Serbiens mit „ja“.
Lithium – ein Schlüssel zum EU-Beitritt?
Vučić erklärte, dass es Serbiens Ziel sei, die Batterieproduktion auf dem eigenen Territorium zu etablieren und nur einen Teil des Rohmaterials zu verkaufen. So könnte das Land, so glaubt er, als Produktionsstandort für Autos in den Wettbewerb treten, und der Export von Fahrzeugen in die EU wäre zollfrei möglich, da ein erheblicher Teil der Fahrzeuge zusammen mit den Batterien produziert würde.
„Wie gesagt, wollen wir die gesamte Wertschöpfungskette in Serbien halten, aber wir müssen auch Zugeständnisse machen. Wenigere Mengen werden nach Deutschland gehen. Alles andere wird durch die Produktion von Katalysatoren und Lithiumbatterien in Serbien gehen“, sagte Vučić und fügte hinzu, dass Serbien jährlich 58.000 Tonnen Lithium abbauen könnte, was ausreichen würde, um 1,1 Millionen Elektrofahrzeuge zu produzieren, also etwa 17 Prozent des europäischen Marktes.
Für die europäische Automobilindustrie ist die Lithiumversorgung eine existenzielle Frage, und „Handelsblatt“ behauptet, dass die Branche am Rande eines Booms steht – Schätzungen zufolge werden 2030 in Europa 8,3 Millionen Fahrzeuge verkauft.
Auf die Frage, ob die Lithiumvorkommen Serbiens eine Karte für den EU-Beitritt seien, sagt Vučić, dass sowohl die EU als auch Serbien davon erheblich profitieren werden.
„Das wird enorme Auswirkungen auf uns haben: Bis zu 16 Prozent des Bruttonationalprodukts werden in Zukunft durch das Geschäft mit Lithium ausmachen. Dies ist ein Segen für uns, aber glauben Sie mir, die EU-Mitgliedschaft ist für unsere Bürger viel wichtiger. Der Zugang zum Binnenmarkt mit Reisefreiheit ist uns wichtig. Vereinfachte Passkontrollen sind uns wichtiger als Geld“, sagte er.
Umgestaltung der Beziehungen
Zu den Beziehungen zwischen Serbien und Deutschland sowie der deutschen Regierung, die die Wahlen in Serbien als „unregelmäßig“ kritisiert und Belgrad gewarnt hat, die Situation im Kosovo nicht eskalieren zu lassen, bemerkte Vučić, dass Serbien und Deutschland unterschiedliche Auffassungen zur Situation im Kosovo und Metochien hätten und dass die Behauptung, es habe Wahlbetrug gegeben, eine eklatante Lüge sei. Jetzt sei jedoch, so der Präsident, „die Zeit für eine Umgestaltung der Beziehungen“.
Der Präsident Serbiens kommentierte auch die Wahl der neuen (alten) Leitung der Europäischen Kommission.
„Ich bin ein großer Fan von Ursula von der Leyen. Ich denke, dass sie immer einen sehr rationalen Ansatz für den Westbalkan hatte. Sie hat einige unserer Unterschiede verstanden. Und sie hat auch häufiger Belgrad besucht, was nicht viele aus Brüssel getan haben. Das haben wir immer geschätzt. Haben wir Schwierigkeiten mit der Ernennung von Kaja Kallas zur neuen Chefin der EU-Außenpolitik? Wir werden sehen. Wir erwarten auch weiteren Druck in allen Fragen im Zusammenhang mit Russland und der Ukraine“, sagte Vučić.
Er betonte auch, dass er für den deutschen Kanzler Olaf Scholz einen Rat zur ukrainischen Krise hätte – schnell einen Waffenstillstand erreichen und die Bedingungen danach diskutieren.
„Die Situation in der Ukraine wird sich verschärfen… Wenn Scholz wirklich hören möchte, was ich denke, würde ich ihm sagen: Erreichen Sie so schnell wie möglich einen Waffenstillstand, es spielt keine Rolle, unter welchen Bedingungen. Über die Bedingungen können Sie später diskutieren“, sagte Vučić der deutschen Zeitung.
Zur Erinnerung, im Kreml wird betont, dass die Suche nach Lösungen für die ukrainische Krise ohne Beteiligung Russlands unlogisch und perspektivlos sei. Der deutsche Kanzler wird am Freitag in Belgrad erwartet, um mit dem Präsidenten Serbiens zu sprechen.
(NSPM)