Heute vor 18 Jahren fiel der tödliche Schuss auf den serbischen Premierminister Zoran Đinđić. Am 12.März 2003 starb er auf den Stufen zum serbischen Regierungssitz.
Schwerstens verletzt überlebte sein Leibwächter Milan Veruović.
Vieles rund um das Attentat konnte jedoch bis heute nicht aufgeklärt werden. Lediglich der unmittelbare Ablauf des Mordes scheint gesichert.
Denn die polizeilichen Ermittlungen ergaben schnell, dass die Kugeln aus dem zweiten Stock des gegenüberliegenden Instituts für Photogrammetrie in der Admiral-Geprata-Straße 14 gekommen waren. Der Schütze hatte über eine Entfernung von etwa 200 Metern den Premier ermordet.
Die Polizisten fanden dort auch eine Decke, die dem Mörder als Unterlage für seine Waffe gedient hatte. Die Ermittler konnten sie bald schon dem stellvertretenden Kommandeur der JSO, der Einheit für Spezialoperationen, Zvezdan Jovanović, zuordnen. Die JSO ist bis heute vielen unter dem Namen „Rote Barette“ in Erinnerung. Auch die Patronenhülsen des verwendeten Scharfschützengewehrs fanden sich an besagter Stelle.
Zeugen sagten zudem aus, dass unmittelbar nach den tödlichen Schüssen drei junge Männer, allesamt in Arbeitskleidung, aus dem Gebäude geflüchtet seien.
Trauerfeier im Ausnahmezustand
Der serbische Staat verhängte um 18 Uhr den Ausnahmezustand im Land, fünfeinhalb Stunden nach dem Mord. Bereits am Abend gab die Regierung bekannt, dass Milorad Ulemek „Legija“ einer der Hauptverdächtigen sei. Auch lief ein Haftbefehl gegen den stellvertretenden Kommandeur der JSO, Jovanović.
Mit ihm zusammen wurden Dušan Spasojević und Mile Luković, beides bekannte Mitglieder des „Zemun-Clans“ sowie zwanzig weitere Mitglieder der Mafia zur Fahndung ausgeschrieben. In Serbien begann eine Verhaftungswelle.
Am 15. März hielt die serbisch-orthodoxe Kirche zum ersten Mal einen Gottesdienst in der Sv.-Sava-Kathedrale in Belgrad ab, der größten orthodoxen Kirche des Balkans. Dass die erste abgehaltene Messe gleich ein Trauergottesdienst für den toten Premier werden sollte, war eine zusätzliche Tragik in dieser Geschichte, die ganz Serbien erschütterte. Denn ausgerechnet Đinđić hatte sich stets für die Fertigstellung des Gotteshauses eingesetzt.
Zu seiner Beerdigung am 15. März säumten hunderttausende Menschen die Straßen von der Kathedrale bis zum Neuen Friedhof, auf welchem er seine letzte Ruhe fand.
Landesweit kam es zu Massenverhaftungen
Währenddessen lief die eigeleitete Polizeiaktion „Sablja“ unentwegt weiter. In den nächsten vierzig Tagen sollten insgesamt 11.665 Personen vorübergehend verhaftet und verhört werden. Ulemek befand sich weiter auf der Flucht. Spasojević und Luković widersetzten sich ihrer Verhaftung und starben am 27.März in einem Feuergefecht mit den Einsatzkräften. Ihre Villa in Belgrad wurde danach abgerissen. Auch löste der Staat die JSO umgehend auf.
Serbien steuerte auf einen Jahrhundertprozess zu, gerade einmal drei Jahre nach dem Beginn des neuen Milleniums.
Die Staatsanwaltschaft erhob im Sommer Anklage gegen insgesamt 44 Personen. Bereits im Dezember musste diese Zahl aber bereits auf 36 reduziert werden. Das Gericht berücksichtigte im Verfahren auch frühere Versuche Đinđić zu ermorden. Jovanović weigerte sich, eine Aussage zu machen. Der zuständige Richter, Marko Kljajević, griff daher auf dessen frühere Erklärungen aus den Vorverfahren zurück. Dort hatte er gestanden, der Todesschütze gewesen zu sein.
Als Motive nannte Jovanović politische Gründe, eine drohende Auflösung der JSO und die Auslieferung serbischer Bürger an den Strafgerichtshof in Den Haag. Allerdings widerrief er sein Geständnis aus der Vorverhandlung und behauptete auch später noch, dass dieses von ihm erpresst worden war.
Ulemek wiederum stellte sich am 2.Mai 2004, über ein Jahr nach dem Mord. Allerdings wies er die Anschuldigungen der Staatsanwaltschaft, der Kopf hinter dem Attentat gewesen zu sein, zurück.
Vieles blieb im Prozess ungeklärt
Auch der Strafprozess als solcher verlief chaotisch. Nach drei Jahren zog sich Richter Kljijević von seinem Amt zurück. In seiner Erklärung gab er bekannt, dass er in seiner Urteilsfreiheit eingeschränkt sei, da sein Bruder in einem anderen Verfahren vor Gericht stehe. Tatsächlich wurde dieser wenig später freigesprochen.
Den Vorsitz des Gerichtsprozesses übernahm daraufhin seine Kollegin Nata Mesarović. Während des Verfahrens wurde auch der stellvertretende Staatsanwalt Milan Radovanović wegen angeblichen Geheimnisverrats festgenommen. Wenig später starb er unter dubiosen Umständen. Sonderstaatsanwalt Jovan Prijić musste seinen Platz übernehmen.
Hinzu kam, dass während des Prozesses auch ein Zeuge ermordet wurde. Zoran Vukojević hatte sich geweigert am Zeugenschutzprogramm teilzunehmen. Offensichtlich fürchtete er, die Falschen als seine Beschützer zu haben. Dies nützte ihm jedoch nichts. In der Presse ging damals das Gerücht um, dass Vukojević bei seiner Aussage hinter verschlossenen Türen, Marko Milošević der Mittäterschaft beschuldigt hatte.
Natürlich mussten bei Gericht auch etliche Personen aus Đinđićs beruflichem und persönlichem Umfeld aussagen. Das Gericht lehnte es jedoch ab, Vojislav Koštunica, den neuen Premier, die Minister für Justiz und Polizei, Zoran Stojković und Dragan Jocić sowie den damaligen Direktor des Geheimdienstes, Rade Bulatović, sowie einige andere prominente Persönlichkeiten zu befragen.
Obwohl Srđa Popović, der Rechtsanwalt von Đinđićs Witwe Ružica, dies vehement forderte.
Harsche Kritik an den Behörden
Am Ende stand das Urteil gegen zwölf Angeklagte am 23. Mai 2007 fest. Das Gericht kam zu der Überzeugung, dass das Attentat von Mitgliedern des mafiösen „Zemun-Clans“ in Komplizenschaft mit der JSO geplant und durchgeführt worden war. Die Urteile liefen auf Haftstrafen zwischen mehreren Jahrzehnten und lebenslänglich hinaus.
Auch stellte das Gericht fest, dass die Geheimdienste aus unbekannten Gründen bei der Verhinderung des Attentats versagt hatten. Auch anderen staatlichen Stellen machten die Richter schwere Vorwürfe. Die Hintermänner des Anschlags bleiben derweil im Dunkel. Aber auch die politischen Hintergründe konnten in all den Jahren, die seitdem vergangen sind, nicht erhellt werden.
Ob die volle Wahrheit zur Ermordung von Zoran Đinđić einmal ans Licht kommen wird, wissen wahrscheinlich nur die Täter von damals.
Wie habt Ihr das Attentat damals erlebt? Werden die Hintergründe eines Tages aufgeklärt werden? Schreibt uns Eure Meinungen in die Kommentare.
Quelle: politika.rs