Bulgariens neuer Streit mit Nordmazedonien

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Nordmazedonien hat so manches getan, um seine Aufnahme in die Europäische Union und in die NATO zu beschleunigen. Das Spektakulärste war, neben der Annahme von EU-Regularien und den üblichen Privatisierungen, sicherlich die Namensänderung von Republik Mazedonien bzw. Ehemalige jugoslawische Republik Mazedonien zur jetzigen Benennung.

Denn das Nachbarland Griechenland boykottierte den EU-Beitritt. Zu groß war in Athen die Angst, um eine Einverleibung der eigenen Geschichte und vielleicht der eigenen Provinz gleichen Namens durch Skopje. Mit dem Zusatz „Nord“ konnte Skopje jedoch die Sorgen einer etwaigen Verwechslung mit der griechischen Provinz Mazedonien verhindern.

Jetzt ist es Bulgarien, das den Nordmazedoniern Ärger bereitet. Und auch dieses Mal geht es um Geschichte, Kultur und all die anderen Dinge, die auf dem Balkan stets Anlass für große Streitigkeiten waren.

Bulgariens Zorn richtet sich dabei insbesondere auf die Geschichtsschreibung, wie sie in Nordmazedonien von der Schule an vermittelt wird. Vor allem jene Geschichte des Landes von vor 1944.

Der Vorsitzende der mazedonisch-bulgarischen Kommission für Bildungsfragen, Kiril Topalov, hat jetzt mit einem unglaublichen Vergleich noch eins oben drauf gesetzt.

Gegenüber der Presse erklärte er gar: „Albanien ist ein viel demokratischerer Staat als Nordmazedonien. Das ist immer noch ein totalitär-kommunistisches Land, welches seit Titos Zeiten keinen einzigen Millimeter vorangekommen ist. Bulgarien wird seinem Nachbarn auf keinen Fall eine mittelalterliche Geschichte schenken und all seine Positionen für die Zeit bis 1944, welche die Mazedonier für sich beanspruchen, verteidigen.“

In Skopje hofft man derweil, dass die Europäische Union Bulgarien unter Druck setzen wird, um diesen Geschichtsdiskurs nicht zu einer dauerhaften Blockade für Skopjes EU-Mitgliedschaft werden zu lassen. Denn die über zwanzigjährige Blockade aus Athen aufgrund des Namens ist noch mehr als präsent in den Köpfen.

Derlei Hoffnungen scheinen Topalov jedoch eher in seinen Gedanken zu bestätigen.

Von der EU will man sich nichts vorschreiben lassen

„Meiner Meinung nach verwechseln viele Menschen die Europäische Union mit der Sowjetunion, aus welcher die Befehle kamen, wer wann was zu tun und wie man zu denken hat. Die EU ist eine völlig andere Konstruktion. Sie kann nur eine Empfehlung aussprechen. Weil wir es sind, die es wollen, dass der westliche Balkan der EU beitritt. Schließlich geht dies auf eine Initiative Bulgariens zurück“, erklärte Topalov im bulgarischen Fernsehen.

Natürlich verwies auch er im Anschluss auf den jahrzehntelangen Boykott Griechenlands, in welchem Griechen nicht einen Millimeter von ihrer Position abwichen und nicht bereit waren, „sich ihre alte Geschichte wegnehmen zu lassen“.

Bulgarien wiederum wolle sich nicht seine mittelalterliche Geschichte stehlen lassen. Denn nach bulgarischer Auffassung betrachteten sich die Nordmazedonier bis 1944 als Bulgaren.

„Wir sollten auch keine Angst haben, dass die Verhandlungen zwischen Bulgarien und Nordmazedonien vielleicht noch einige Jahre andauern könnten, selbst wenn es zehn, fünfzehn oder sogar zwanzig Jahre sein sollten. Wenn Bulgarien Würde hat, wird es nicht nachgeben, so wie auch die Griechen nicht nachgegeben haben. Wie Sie wissen, ist das Prespa-Abkommen gegenüber diesem Land wesentlich strenger als unser Abkommen zur guten Nachbarschaft zwischen Sofia und Skopje“, entgegnete Topalov Journalisten.

Das Abkommen von Prespa war 2018 das wesentliche Element, um u.a. den Namensstreit zwischen Nordmazedonien und Griechenland beizulegen.

Es geht um die Existenz der mazedonischen Nation

Tatsächlich wolle man jetzt in Sofia überlegen, ob der EU-Aufnahmeprozess von Nordmazedonien und Albanien nicht getrennt voneinander weitergeführt werden könne. Denn Tirana habe im Gegensatz zu Skopje, die eigene bulgarische Minderheit im Land offiziell anerkannt.

In Sofia sehe man des Weiteren die eigene Toleranz am Limit. „Wir zeigen Toleranz und erkennen ihre Identität ab 1944 an. Sie sind ein separater Staat. Das stimmt. Ihre Sprache ist das künstliche Gemisch Serbisch-Bulgarisch-Mazedonisch.

Diese erkennen wir aber ebenso an, wie den Umstand, dass sie sie so nennen können, wie sie wollen. Wenn es aber um die Geschichte von vor 1944 geht und ein Beamter oder gar die Regierung diese Position in Frage stellt, begehen sie politischen Selbstmord“, so Topalovs klare Worte in Richtung Skopje.

Bulgarien hat bereits den Beginn der EU-Beitrittsverhandlungen Nordmazedoniens nicht unterstützt. Die offizielle Begründung war, dass Skopje, wie von Bulgarien behauptet, das gegenseitige Nachbarschaftsabkommen nicht respektieren würde. Stattdessen würden die Nordmazedonier weiterhin Hassbotschaften gegen Bulgaren verbreiten und ihre bulgarische Herkunft abstreiten.

Die Regierung in Sofia steht unter Druck

Dass Bulgarien Nordmazedonien zwingen will, sich zu seinen bulgarischen Wurzeln zu „bekennen“, ist derweil nicht neu. Tatsächlich erhob Bulgarien im 20.Jahrhundert mehrmals Anspruch das nordmazedonische Territorium. Auch die Besatzungen während der Balkankriege, des Ersten und des Zweiten Weltkrieges sind in Skopje nicht vergessen.

Höchstwahrscheinlich handelt es sich aber bei den neuen Manövern der bulgarischen Regierung letztendlich nur um eine billige Taktik, um von den eigenen Missständen zuhause abzulenken. Denn die Regierung unter dem langjährigen Premier Bojko Borrisow steht wegen Korruption und grassierender Kriminalität unter enormen Druck.

Schon seit Monaten protestieren die Bürger in Sofia gegen die Staatsspitze. Großbulgarisches Gehabe kommt daher sehr gelegen, um das Ansehen der Regierung zu stärken.

Wie denkt Ihr über die Spannungen zwischen Nordmazedonien und Bulgarien? Was haltet Ihr eigentlich von der Namensänderung wegen Griechenland? Schreibt uns Eure Meinungen in die Kommentare.

Quelle: politika.rs

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